Mal Hand auf`s Herz: Wie ernst nehmen Sie noch die Warnungen vor der »Winterwelle«? Keine Frage, unsere Kliniken sind nach wie vor am Limit und deren Personal braucht dringend Hilfe. Aber ist daran das Virus schuld? Helfen wir, indem wir Masken tragen und unsere Kinder in den Schulen frieren lassen? Die Antwort geben uns Virologen wie Schmidt-Chanasit: Die Maskenpflicht in Innenräumen hat praktisch keine Auswirkung auf die Lage der Intensivstationen (https://www1.wdr.de/nachrichten/themen/coronavirus/forderung-maskenpflicht-innenraeume-pro-contra-100.html). Masken helfen in konkreten einzelnen Situationen, zum Beispiel in OP-Räumen oder wenn sehr viele Menschen sehr dicht zusammenstehen müssen. Sie halten aber die Infektionen nicht generell auf. Trotz Lockdowns und Masken hat sich das Virus verbreitet, weit verbreitet.
Wo ist das Virus nicht?
Der Zwischenbericht der Immunbridge-Studie gibt an, dass bis zu 95% der Bevölkerung bereits Kontakt mit dem Virus hatte und entsprechend Antikörper besitzt (https://www.bmbf.de/SharedDocs/Downloads/de/2022/20221013-zwischenbericht-immunbridge.pdf?__blob=publicationFile&v=2). Corona ist also unter uns. Es ist überall. Die Idee der Eindämmung ist hinfällig und die meisten Länder sehen dieses ein. Entsprechend ist in diesen die Pandemie für beendet erklärt worden und wird Corona als »normaler« Erkältungserreger behandelt. Nicht so in Deutschland. Für Karl Lauterbach ist die Pandemie nicht vorbei und als »Beweis« liefert er die steigende Infektionswelle.
Bestimmen Testwellen die Politik?
Aber gibt es diese überhaupt? Mal angenommen, aktuell wäre jede zweite Person infiziert, worin sollte dann die Welle bestehen? Wir müssten ja mindestens 40 bis 50 Millionen Menschen testen, um die Infektionslage abbilden und Wellen erkennen zu können. Von so vielen Tests sind wir aber weit entfernt. Zuletzt wurden nicht mal 1 Million Tests durchgeführt. Nehmen wir also an, 50% der Bevölkerung wären infiziert, dann würden wir bei 1 Million Tests bei einer Zufallsauswahl theoretisch 500.000 negative und 500.000 positive Ergebnisse erhalten. Die Positivrate läge bei 50%. Würden wir die Testzahl verdoppeln, würden sich auch beide Ergebnisse verdoppeln, da wir ja immer noch wesentlich weniger Menschen testen täten, als wirklich infiziert sind. Statistisch gesehen würden die Kurven der Testzahlen und der gefundenen Infektionen identisch verlaufen. Aber das ist natürlich eine Ideal-Annahme. In der Realität würden wir auch in diesem Gedankenspiel leichte Abweichungen finden können. Aber nun schauen Sie sich doch mal die Daten des Robert-Koch-Institutes für 2022 an:
Die Positivrate ist sehr konstant auf einem hohen Wert. Die ganzen zwei Jahre zuvor lag sie überwiegend zwischen 10 und 15%. Dafür aber verlaufen die Kurven der Tests und der Treffer nahezu gleich. Ich habe also ein Statistikprogramm bemüht. Es spuckt einen Korrelationswert von 0,931 bei einem Signifikanzniveau von 0.01 aus. Einfach gesagt heißt das, dass die beiden Kurven eben nahezu identisch laufen und das kein Zufall ist.
Das Gedankenspiel mag zu hoch gegriffen sein, aber die Daten zeigen deutlich an, dass wir in Deutschland aktuell mehrere Millionen Infizierte haben müssen und nicht nur unter 500.000. Also ernsthaft: Vor welcher Welle warnt Lauterbach?
Wellen in den Kliniken?
Die Kliniken weisen seit Oktober 2021 konstant zwischen 50 und 65% der Intensivstationen als eingeschränkt oder teilweise eingeschränkt betriebsfähig aus. Und ebenso konstant geben 90% davon Personal als Einschränkungsfaktor an. Und diese Einschränkungen weisen nur einen Zusammenhang zu den Infektionszahlen auf. Nämlich den, dass das eigene Personal aufgrund von positiven Testergebnissen ausfällt, da es in Quarantäne muss.
Ohne Frage ist die Lage in den Kliniken schlimm. Aber keine Regierung hat in den letzten zwei Jahren – und auch nicht in den Jahren davor – etwas unternommen, die Lage zu verbessern, indem Bürokratie abgebaut, vom Fallpauschalenprinzip abgekehrt, die Quarantänevorschrift überarbeitet oder mehr Personal in die Kliniken gebracht worden wäre. Stattdessen drangsaliert man uns mit Maskenpflichten, Grundrechtseingriffen und kalten Klassenzimmern: allesamt Maßnahmen, die die Bevölkerung zwar ökonomisch und psychisch belasten, aber den Kliniken nicht helfen.
Text: Michael Schmidt- Hansen
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