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Kommentar: Die Jugend als blinder Fleck der Republik

Von einer Generation, die gehört werden will – und nicht länger ignoriert werden darf.

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Die Bundesregierung redet wieder über den Wehrdienst. Über „Pflicht“, „Verantwortung“, „Dienst an der Gesellschaft“. Nur mit wem sie über all das redet, fällt auf: nicht mit denen, die es betrifft.

Während in Berlin die Pläne für eine neue Dienstpflicht Form annehmen, äußert sich Quentin Gärtner, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, im Radio. „Bin noch Schüler, morgen schon Wehrdienst. Ok, aber bitte redet darüber auch mit uns jungen Leuten“, sagt er im SWR3-Interview. Es ist ein Satz, der in seiner Schlichtheit entlarvend ist. In der politischen Wirklichkeit dieses Landes wird viel über die Jugend gesprochen.

Aber eben kaum mit ihr.

Die jungen Menschen sollen das Land verteidigen, die Renten sichern, die Wirtschaft ankurbeln. Nur gefragt wird selten, was sie selbst dafür brauchen oder gar bekommen. Quentin Gärtner formuliert es in einem offenen Brief an Bundeskanzler Merz so, dass es kaum deutlicher geht:

„Lieber Herr Merz,
wir sind’s, diese seltsamen Wesen. Junge Menschen. Sie brauchen uns. Wir sollen das Land verteidigen, die Rente finanzieren und in der Wirtschaft performen. Keine Sorge: Wir regeln das schon. Nur machen wir das nicht einfach so. Jedenfalls nicht, ohne dass uns mal irgendwer fragt, was WIR eigentlich brauchen. […] Wie wär’s mit großflächigen Investitionen in Bildung, um uns auf all diese Aufgaben vorzubereiten?“

Das ist kein jugendlicher Trotz, das ist eine astreine, nüchterne Analyse.

Und sie trifft den wunden Nerv: Mehr als ein Viertel der Schülerinnen und Schüler stuft laut Studien die eigene Lebensqualität als gering ein. Immer mehr berichten von Einsamkeit, Überforderung, Perspektivlosigkeit. Währenddessen bröckelt in vielen Schulen der Putz von den Wänden, fehlen Lehrkräfte & Sozialarbeiter, sowie Schulpsychologen. Doch in den Kabinettsrunden redet man lieber über Pflichtjahre als über Bildungsjahre.

Dabei geht es längst nicht mehr um Symbolpolitik.

Wenn diese Generation das Land tatsächlich verteidigen, finanzieren und erneuern soll, dann muss sie vorher einbezogen und befähigt werden – materiell, psychologisch, bildungspolitisch. Der Appell aus der Schülerschaft ist deshalb viel mehr als ein PR-Zitat. Er ist ein Weckruf an eine politische Klasse, die sich gern als zukunftsorientiert inszeniert, aber die Zukunft selten zu Wort kommen lässt.
Denn wer eine Generation nur als Ressource betrachtet, darf sich nicht wundern, wenn sie sich verweigert. Für junge Menschen dürfte die Idee, sich freiwillig für eine Wehrpflicht zu interessieren, ungefähr so logisch erscheinen wie ein Feuerlöscher mit Schwarzpulverbeschichtung. Während manche Politiker nicht müde werden von „Kriegstüchtigkeit“ zu schwärmen, wirken ihre Appelle an Opferbereitschaft mehr als fragwürdig – besonders, wenn diese Millionäre selbst in gepanzerten Dienstwagen und Privatjets unterwegs sind. Warum sollte die Generation, die sich mit Klimakrise, Mietwucher und Zukunftsangst herumschlägt, Lust verspüren, für die Träume von Macht und Aufrüstung in Uniform zu schlüpfen? Die aktuelle Kriegsrhetorik ist kein Motivationsschub, sondern ein Warnsignal: Wer vom Frieden redet und Krieg meint, darf sich nicht wundern, wenn die Jugend weghört.

Text: M. Jürgensen
Bildquelle: Shutterstock

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