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Machtbesessene Männer – tote Kinder

Was ich kürzlich gesehen habe, werde ich wohl nicht mehr los. Bei meinen Recherchen zu Artikeln über Israel, die Hamas und auch die Entwicklung in der Ukraine, ist mir eine Art Fehler unterlaufen. Es gibt eben nicht immer eine Vorwarnung oder eine Vorbereitungszeit, die uns auf das vorbereitete, was da über den Bildschirm flackert. Zuerst ging es um einen Internetspot mit einem kleinen Mädchen, im Arm Ihres Vaters. Während eines Luftbombardements. Vielleicht drei, vier Jahre alt. Sie schrie – mit einer solchen Verzweiflung, dass ich selbst den Atem anhielt. Sie versteckten sich in einer Ruine, die keinen wirklichen Schutz bot. Es gab kein Dach. Überall um sie herum explodierten Sprengkörper. Die Angst in Ihrer Stimme war so unbeschreiblich ergreifend, dass sie sich bis heute tief in mein Gedächtnis eingebrannt hat.

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Mir stellt sich bei derartigen Erfahrungen die Frage, ob das bewusste Ausblenden solcher Eindrücke ein legitimer Selbstschutz ist und die bessere Entscheidung – oder schon Teil des Problems. Denn so schwer es fällt: Nur wer hinsieht, versteht das ganze Ausmaß dessen, was gerade geschieht.

Dann sah ich noch einen weiteren Spot. Ein Junge, nicht älter als fünf Jahre. Eine Rakete hatte das Gebäude, in dem er sich befand, größtenteils zerstört. Die Druckwelle schleuderte ihn auf eine freiliegende Ebene, umgeben von Trümmern, Leichenteilen, Chaos. Er lebte noch – und war jetzt ganz allein. Und er schrie. Nicht vor Schmerz, sondern aus purer Todesangst. Keiner konnte zu ihm durchdringen, weil noch Bomben einschlugen und seine Ebene für Helfer nicht erreichbar war. Er war klein. Zu klein, um sich selbst zu helfen. Und zu groß, um diese Szene je wieder vergessen zu können.

Ich habe nicht weggeschaut. Ich konnte es nicht. Ich saß da, stumm, erschüttert…und wurde dann unglaublich wütend.

Nicht auf das Schicksal – sondern auf die Männer, die all das zulassen. Männer, die Macht suchen, koste es, was es wolle. Männer, die mit jedem Krieg, den sie vom Schreibtisch aus planen, Kinder in den Tod schicken. Diese Bilder verfolgen mich. Nicht weil sie besonders selten wären – im Gegenteil. Sie stehen exemplarisch für das tägliche Grauen in Kriegsgebieten: in Gaza, Syrien, der Ukraine, im Sudan, im Jemen. Überall dort, wo Erwachsene mit Panzern, Drohnen und Raketen ihre politischen Ziele durchsetzen wollen, sind es Kinder, die am meisten leiden.

Sind es nicht immer machtgeile Männer, die Kriege auslösen?

Weil die Nato Ihr Gebiet, ihre Raketenstellungen und Ihre Macht ausweiten will? Oder Israelis, die die Hamas (oder Palästinenser) auslöschen wollen? Weil die Taliban, Boko Haram, ISIS oder Al-Shabaab unschuldige Menschen für irgendwelche fanatischen Ziele hinrichten? Weil Putin die Krim aus strategischen Gründen nicht an die Nato verlieren darf, um seine Macht zu erhalten? Weil es mal um Bodenschätze, mal um Waffengeschäfte oder die Eroberung neuer Märkte geht?

Ganz gleich, auf welcher Seite man politisch steht. Ob man nun für die Ukraine ist oder die Reaktion Russlands nachvollziehen kann, ob man mit Israel sympathisiert, mit Palästina oder sich irgendwo dazwischen verortet – eines sollte uns alle erschüttern: Die politischen Entscheidungsträger auf allen Seiten nehmen den Tod von Kindern in Kauf. Ob durch gezielte Bombardierungen, zynische Blockaden, fanatische Ideologien oder das bewusste Vermeiden von Verhandlungen – das Leid der Schwächsten wird einkalkuliert. Kinder werden zu Opfern der machtbesessenen Männer.

Auch der Friedensnobelpreisträger Barack Obama prüfte täglich mehrere Listen mit Tötungszielen und gab sie frei – als Teil einer globalen Drohnenpolitik, bei der Unschuldige oft nur „Kollateralschäden“ waren.

Ich frage mich: Was ist aus uns geworden? Wie viele tote Kinder sind noch „hinnehmbar“, bevor sich etwas ändert? Wie viel Elend braucht es, bis die Weltgemeinschaft handelt – mit echter Konsequenz?

Ich schreibe das hier, weil ich nicht schweigen will. Weil unschuldige Kinder nicht sterben sollten. Und weil ich hoffe, dass wir irgendwann alle nicht mehr wegsehen.

Text: M. Jürgensen
Bildquelle: Shutterstock

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