2021 feierte Robert Habeck einen historischen Sieg im Wahlkreis 1, als er mit 28 % der Erststimmen direkt ins Parlament einzog. Der Bundestagswahlkreis (Flensburg – Schleswig) ist sein Heimrevier. Damals verbanden viele Menschen mit seiner Wahl die Hoffnung, dass der prominente Grünen-Politiker den Wahlkreis stärken und spürbare Vorteile für die Region bringen würde. Doch nun, nach mehreren Jahren als Bundeswirtschaftsminister, wird sein erneuter Wahlantritt unter anderen Vorzeichen betrachtet. Der Wahlkreis 1 befindet sich auf wirtschaftlicher Talfahrt.
Die Frage lautet: Wird die Bilanz überzeugen?
Schon damals lagen die Grünen bei den Zweitstimmen nur auf dem dritten Platz – Habecks Erfolg war ein persönlicher, kein parteipolitischer. Nun, da sich die Menschen im Wahlkreis 1 mit den Folgen seiner Energie- und Wirtschaftspolitik konfrontiert sehen, schauen wir genauer hin.
Die „Test-Politik“ des Ministers
Die Amtszeit von Robert Habeck war nicht frei von Turbulenzen. Vielen wird noch in Erinnerung sein, wie unsicher er beim Thema Insolvenzen auftrat, was ihm harsche Kritik einbrachte (Quelle). Sein Gebäudeenergiegesetz bezeichnete er öffentlich als einen „Test“, wie weit die Bevölkerung mitgehen würde (Quelle). Nicht nur im Wahlkreis 1 sorgte das für Unmut, sondern auch bei vielen für schlaflose Nächte.
Die Folgen von Habecks Politik spürt auch der Wahlkreis 1.
Habecks Energiepolitik, die unter anderem den moralisch nachvollziehbaren, aber wirtschaftlich riskanten Boykott von russischem Gas beinhaltete, brachte viele Haushalte und Unternehmen in Bedrängnis. Die Kosten explodierten – eine Belastung, die die Menschen besonders hart traf. In Flensburg, wo 98 % der Wohnungen an ein kommunales Fernwärmesystem angeschlossen sind, stiegen die Heizkosten teils um das Doppelte oder Dreifache.
Auch die regionalen Unternehmen leiden unter den Auswirkungen der Politik. Die Mitarbeiter der Flensburger Werft erleben aktuell Stillstand und Lohnausfälle (Quelle). Seit Monatsbeginn befindet sich die 300 Jahre alte Papierfabrik Fjord Paper Flensburg im Insolvenzverfahren. (Quelle) Und auch Danfoss kündigte an, 200 Stellen zu streichen (Quelle). Aus dem Flensburger Gewerbeamt hört man, dass die Bearbeitung von Insolvenzen kaum noch zu bewältigen sei.
Diese Entwicklungen prägen das Bild von Habecks Wirtschaftspolitik im Wahlkreis 1 – Stillstand statt Wachstum, wie es auch die bundesweite Herbstprognose andeutete (Quelle).
Aufrüstung statt Investitionen?
Zusätzliche Kritik erntet Habeck aktuell auch für seine Aufrüstungsvorhaben. Trotz seiner grünen Wurzeln hat er sich klar für die Aufrüstung ausgesprochen – eine Entscheidung, die nicht nur in seiner Heimat polarisiert. Kritiker bemängeln, dass diese Mittel in dringendere Bereiche wie Bildung, soziale Gerechtigkeit oder den Klimaschutz hätten fließen können. Vor dem Hintergrund stagnierender regionaler Wirtschaft und einer äußerst angespannten sozialen Lage fragen sich viele, ob diese Prioritätensetzung wirklich im Interesse der Bürger liegt. „Mehr Geld für Panzer, weniger für Zukunft“ ist ein Vorwurf, der nicht nur von politischen Gegnern kommt, sondern auch in der Bevölkerung zunehmend Gehör findet.
Zeit für Bücher statt für die Wirtschaft?
Während die Region die Auswirkungen seiner Politik zu spüren bekam, fand Habeck Zeit, ein Buch zu schreiben. In dem er seine Vorstellungen von Deutschlands Zukunft darlegte. Doch ob dieses Werk die Wähler überzeugen kann, ihm erneut ihre Stimme zu geben, bleibt mehr als fraglich.
Ein Wirtschaftsminister ohne Mut zur Diskussion?
Erwarten wir Bürger in einer demokratischen Gesellschaft von unseren politischen Vertretern nicht Mut und Offenheit, insbesondere wenn es um den Austausch kontroverser Positionen geht? Leider zeigt der aktuelle Wirtschaftsminister genau das Gegenteil. Statt sich einer öffentlichen Diskussion mit Alice Weidel zu stellen – einer der prominentesten Oppositionspolitikerinnen des Landes –, zieht er es vor, den Dialog zu meiden.
Hinterlässt dieses Verhalten nicht den Eindruck von Unsicherheit und mangelnder Standhaftigkeit? Gehört es nicht zu den Grundvoraussetzungen einer glaubwürdigen, politischen Führungskraft, Kritik an den eigenen Positionen auszuhalten und sich mit anderen politischen Perspektiven auseinanderzusetzen? Besonders problematisch wird dies, wenn der Minister gleichzeitig massenhaft Bürger verklagt, die sich kritisch über ihn äußern. Diese Reaktion wirkt auf viele Bürger nicht nur überzogen, sondern auch alarmierend dünnhäutig für jemanden, der als Kanzlerkandidat antreten möchte.
Zudem fällt ein weiterer Vorfall ins Gewicht, der Fragen zur Führungsstärke des Ministers aufwirft: Die damalige Fähranleger-Aktion während der Bauernprozesse in Schlüttsiel. Mittlerweile sah sich die Staatsanwaltschaft Flensburg gezwungen, die Ermittlungen weitgehend einzustellen – ein Schritt, der einer Selbstdementierung gleichkommt und das anfängliche Handeln rückblickend als überzogen und letztlich vielen als feige erscheinen lässt.
Von einem potenziellen Kanzler erwartet man Souveränität, die Fähigkeit zur Debatte und die Bereitschaft, auch unbequeme Fragen zu beantworten. Der derzeitige Umgang des Wirtschaftsministers mit Kritik und kontroversen Meinungen lässt Zweifel daran aufkommen, ob er den Anforderungen einer solchen Führungsposition gewachsen ist.
In einer Zeit, in der das Vertrauen in die Politik ohnehin angeknackst ist, wäre ein deutliches Zeichen von Dialogbereitschaft und Stärke nicht nur wünschenswert, sondern dringend notwendig.
Was denken Sie?
Spielt dieses Verhalten anderen Parteien gar den politischen Ball direkt in die Hände?
Text: Dr. C. Dewanger & M. Jürgensen
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